Ferdinand Sauerbruch und die Charité

Ungeachtet seiner medizinischen Verdienste zahlt Ferdinand Sauerbruch zu den umstrittensten Arzten der Zeitgeschichte. In den Jahrzehnten nach dem Krieg dominierte in den Medien ein positives, fast heroisches Bild des Menschen und Mediziners, der ab 1928 als Professor fur Chirurgie an der Berliner Charite arbeitete. Dafur gesorgt hat er selbst durch seine mit fiktionalen Inhalten angereicherte Biografie &quote;Das war mein Leben&quote;, in der er sich uberwiegend als &quote;Halbgott in Wei&quote; darstellen lasst. Erst seit Beginn dieses Jahrhunderts wird dieses Bild erschuttert, wirft man ihm Sympathie, ja sogar Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten vor. Christian Hardinghaus hat fr &quote;Ferdinand Sauerbruch und die Charit neue unverffentlichte Quellen erschlossen - darunter das bisher geheime Tagebuch von Sauerbruchs Assistenten Adolphe Jung - und zahlreiche Berichte, Briefe, Interviews und persnliche Erinnerungen von Mitarbeitern und Freunden studiert. Herausgekommen ist dabei nicht nur die erste umfassende Biografie des bedeutenden Chirurgen, sondern auch seine Rehabilitation: Ferdinand Sauerbruch untersttzte eine Widerstandsgruppe um den Spion Fritz Kolbe, die sich an der Charit gebildet hatte, und war auch in die Attentatsplne Stauffenbergs eingeweiht. Bis Kriegsende behandelte er nicht nur &quote;verbotenerweise&quote; Juden, sondern versteckte sie und andere Verfolgte des Naziregimes in der Charit vor der Gestapo. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse muss die bisherige Beurteilung von Sauerbruchs Haltung gegenber dem NS-Regime neu bewertet werden.